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Marion's Liedergeschichten

    Lotte die Motte

    (für Tobias)

    Lotte war eine kleine Motte. Wie alle Motten scheute sie das Licht, das sie jedoch gleichzeitig wie magisch anzog. Aber Mutter Motte hatte sie immer gewarnt: halt dich fern vom Licht, mein Kind, das bekommt dir nicht. Du gerätst in einen Strudel, aus dem es kein Entrinnen gibt!  

    Aber Lotte, die kleine Motte, fand es dennoch unwiderstehlich. Und eines abends, als alle braven Mottenkinder schon längst ihren Unterschlupf gefunden hatten, flog sie nochmal los, ganz allein.

    Es war doch gar nicht so hell, kein gefährliches Licht in Sicht, sie flatterte mutig weiter. Da plötzlich sah sie einen kleinen Schein, einen hellen Fleck, warum nicht, dachte sie. Es ist ja kein Licht!

    Die kleine Motte Lotte konnte nicht wissen, dass sie durch ein Fenster in ein Zimmer flog, in dem eine Kerze brannte. Oh, wie gefährlich, kleine Lotte! Da plötzlich wurde es hell und heller, Panik ergriff sie, war sie jetzt doch in Gefahr?

    Da sah sie etwas Schwarzes, dunkles auf einem Nest liegen. Ein Mensch in seinem Nest. Nester kannte Lotte die Motte. Dunkles schwarzes Haar guckte aus dem Nestbett des Menschen, ansonsten sah sie nichts mehr. Also nix wie auf das schwarze dunkle, weg von dem Licht! Jetzt konnte sie wieder sehen! Das schwarze dunkle zog sie magisch an, sie flog darauf zu, um sich vor dem Licht zu retten.

    Beruhigt setzte sie sich auf das schwarze, dunkle. Erst mal durchatmen, dachte sie. Doch dann plötzlich bewegte sich dieses Schwarze. Oh mein Gott, das sind ja Haare, Hilfe! Zu spät der schwarze Lockenkopf des Jungen bewegte sich, rüttelte sich, schüttelte sein Haar und schrie: Hilfe!

    Hilfe? fragte sich Lotte, wie soll ich ihm helfen? Er fürchtet sich vor etwas. Sie durchsuchte seine Haare, flog von einer Locke zur anderen, konnte nichts finden! Ganz verzweifelt überlegte sie, wie kann ich helfen? Der Junge schlug nach seinen Locken, als suchte er genau wie sie nach der Gefahr.

    Lotte flog um seinen Kopf, er ist ein wirklich hübscher Menschenjunge, dachte sie, und so viel Angst! Ich habe keine, flüsterte sie ihm flatternd ins Ohr, flog und flog und flog mitten in den Feuerschein der Kerze.

    So opferte Lotte die Motte ihr Leben, um einem schwarzen Lockenkopf die Angst zu nehmen und starb.

    Wenn ihr also einmal eine Motte seht, denkt an Lotte, die mutige Motte, habt keine Angst und lasst sie am Leben! Dann löscht die Kerze aus zur guten Nacht!

    © 2013 Marion Daufenbach