Off Canvas sidebar is empty
Marion's Liedergeschichten

    Lachland

    Es hatte einmal ein Mann einen langen Weg hinter und noch viele Schritte vor sich.

    Er lief zwar schon einige Jahre, es waren wohl über vierzig, doch manchmal war ihm, als sei er nur einen ganz kleinen Schritt vorwärts gekommen.

    Darüber konnte er manchmal sehr traurig werden, aber es gab doch einige Wege, die ihm so Vieles gezeigt hatten, und um die es ihm sehr leid getan hätte, sie nie gefunden zu haben.

    Und von einem dieser Wege, den er aber nur einmal fand, erzählt diese Geschichte.

    Er ging an einem frühen Sommermorgen durch taufrisches Gras. Und weil das Gras so schön kühl war, ging er einfach barfuß und atmete durch die Zehen, das war eine Wohltat!

    Seine schweren Wanderschuhe trug er zusammen mit einem Rucksack über dem Rücken und ließ die Socken aus den Schuhen baumeln, was nicht nur den Socken, sondern auch den Schuhen gut tat.

    In der Natur roch alles noch so unberührt und trotzdem war schon so viel Leben um ihn herum. Es schwärmten Bienen, Insekten und Falter über die Wiesen, und aus der Ferne drängten sich Geräusche eines naheliegenden Dorfes an seine Ohren.

    Menschliche Geräusche, die sich hart und unmelodisch anhörten.

    Er hatte schon einmal auf einem Berg dem Getöse einer Großstadt, die weit unter ihm lag, zugehört. Das war ihm in unangenehmer Erinnerung geblieben und so änderte er seine Richtung und ging an dem Dorf vorbei.

    Nachdem er eine Weile gegangen war, verstummte allmählich das Dorfgebrummel und langsam wurde es auch Zeit, sich einen Platz für eine kleine Mittagsrast zu suchen. Am besten unter dem Schatten des großen Baumes, am Ende der Wiese.

    Er streckte sich wohlig aus, gähnte genüsslich und verzehrte seine kleine Mahlzeit.

    Schon bald, nachdem er sein Brot gegessen und sich einen Schluck Wein gegönnt hatte, fielen ihm langsam die Augen zu. Was würde er wohl träumen?

    Lachen, dachte er vor dem Einschlafen. Ich würde so gerne einmal wieder das Lachen aus meiner Kindheit hören.

    Das Lachen von Tante Klara, wenn sie ihm in die Nase kniff, was er nicht ausstehen konnte, oder das Lachen seines Vaters, wenn dieser von einer langen Reise nach Hause kam und seine Kinder durch die Luft wirbelte.

    Sein eigenes Lachen dabei, das seiner Mutter, wenn sie die Geschenke auspackte, dabei zwar etwas schimpfte, über das viele Geld, das er wohl dafür ausgegeben haben mußte, und die dann doch so strahlend lachen konnte, wie er es nur bei seiner Mutter gesehen hatte.

    Mit dieser, etwas wehmütigen Stimmung über das vergangene Lachen, schlief Kirko, so hieß der Mann, ein und hatte trotzdem dabei, ohne es zu wissen, selbst ein kleines Lächeln um die Mundwinkel.

    Die Gluckse
    So fanden sie ihn, die kleinen Gluckse aus dem Lachland. Sie wollten ihm gerade sein fast erstorbenes Lächeln abnehmen, weil er schon so lange nicht mehr gelacht hatte, aber da sagte einer der Gluckse: "Halt, noch nicht!"

    Davon wurde Kirko natürlich sofort wach. Voller Staunen betrachtete er die kleinen wunderlichen Gluckse vor sich und überlegte eine Weile, ob er wache oder träume.

    Sie sahen so lustig aus mit ihren bunten Köpfen, ihre Haare hatten alle möglichen und unmöglichen Farben, sie trugen grüne Mäntelchen, aus denen ihre kleinen nackten Beinchen mit den blanken Füßen nur ein kleines Stück zu sehen waren.

    "Wer seid Ihr denn und was macht Ihr hier? fragte er erstaunt, "und wo kommt Ihr her?

    "Wir sind die Gluckse aus dem Lachland und sammeln verlorenes Lachen".

    Jetzt war sein Staunen noch größer geworden. "Ja, gibt es das denn wirklich? Ein Land, in dem das Lachen verschwindet?"

    "Es verschwindet nur dann, wenn es nicht mehr gebraucht wird. Aber das wissen die wenigsten Menschen.

    Wenn ein Mensch zu lange nicht mehr gelacht hat, dann findet er es nicht mehr. Er hat es verloren. Nur wir, also wir aus dem Lachland, sammeln es ein und bringen es zu uns nach Hause. Da fühlt es sich bald wieder wohl und lacht mit den Anderen."

    "Habt ihr dort auch das Lachen meiner Tante Klara, meines Vaters oder meiner Mutter?" fragte Kirko.

    "Wenn sie noch leben und schon lange nicht mehr gelacht haben, ja."

    "Nein, nein" sagte Kirko, "sie sind ja leider schon lange tot."

    Kirko überlegte einen Moment und druckste dann doch seine Frage heraus, "und das Lachen meiner Kindheit, ist das jetzt auch bei Euch?"

    Da kniffen sich die Gluckse gegenseitig, kicherten und riefen schließlich: "Komm' doch mit uns und höre selbst, ob es da ist!"

    "Ja geht das denn so einfach und darf ich wirklich mitkommen?"

    Ganz aufgeregt war er und stand auf, zog sich schnell die Schuhe an, nahm seinen Rucksack über die Schulter und ging vorsichtig hinter den Glucksen her.

    Diese überschlugen sich im Gras, nippten an den Tautropfen und trollten sich munter und lachend, fast auch aufgeregt, davon.

    Kirko zweifelte noch immer, ob er wache oder träume, aber er lief einfach hinter ihnen her.

    Und die Gänseblümchen unter seinen schweren Stiefeln nickten mit ihren Köpfen, als er so weiterging, und sahen sich behutsam um nach jedem seiner Schritte, ohne, daß er es bemerkte.

    Die Pflanze der Wahrheit
    Schließlich gelangten Kirko und die Gluckse an einen kleine Bach, der munter sprudelte und der Erfrischung versprach an dem heißen Tag.

    Die Gluckse aber, kaum daß sie den Bach erreichten, sprangen behende hinein, als seien sie in ihrem Element und Kirko rief verzweifelt:

    "Halt, wo geht Ihr denn hin?" "Ins Lachland natürlich", war die Antwort.

    "Und was ist mit mir, nehmt ihr mich mit?" fragte Kirko.

    "Du mußt die Pflanze Deiner Wahrheit finden und erkennen, dann findest Du den Weg ins Lachland" riefen die Gluckse.

    Und gluckernd glucksend verschwanden sie in den kleinen sprudelnden Wellen des Baches, der Nahe an einem Wald lag, den Kirko aber erst jetzt bemerkte.

    Nun war er allein und überlegte, ‚die Pflanze meiner Wahrheit, wenn ich die schon gefunden hätte, wäre ich wohl nicht hier an diesem Bach Nahe dieses Waldes, oder?'

    Aus dem Bach blubberte und sprudelte es von Stein zu Stein im späten Sonnenschein wie ein Echo aus dem Bach, ‚Die Pflanze Deiner Wahrheit!'

    Aber Kirko verstand den Bach und die darin verschwundenen Gluckse nicht.

    Fast aus Trotz wandte er sich ab und ging einfach bachaufwärts. Während er so weiterging, wurde es allmählich immer stiller.

    Er hörte keine Vögel mehr, keine Insekten, die summten, und sogar, der Wind, der bisher angenehm kühlte, hatte sich gelegt.

    Aber da, in der Birke, auf die Kirko jetzt zuging, bewegten sich die Blätter noch im Wind.

    Kirko ging neugierig auf die Birke zu. Aber je näher er kam, desto ruhiger wurden die Blätter und als er ganz dicht vor der Birke stand, so nah' daß er sie hätte berühren können, da legte sich plötzlich seine Neugierde und die erstaunliche Ruhe der Blätter übertrug sich nun auch auf ihn.

    Er streckte die Hand aus und wollte ein Blatt berühren, da hielt er plötzlich inne.

    ‚Die Blätter fallen, kommen wieder', dachte er, ‚ein Kommen und Gehen und doch ein ewiges Bestehen'.

    Und als er die alte Rinde des Baumes genau ansah, in denen das Alles festgehalten war, jedes Jahr des Kommens und Gehens, da fühlte er,daß auch er schon immer da war und auch immer gehen werden müsse, und es überkam ihn eine merkwürdige Ruhe.

    Er war jetzt so ruhig, wie die Blätter der Birke in der weiten Ruhe der Natur, in der Kirko jetzt weiter bachaufwärts ging.

    Aber der Bach war allmählich in ein kleines Rinnsal übergegangen und murmelte nur noch still vor sich hin, bis auf einmal nur noch ein lautes Plätschern zu hören war.

    Die Quelle! Kirko hatte die Quelle im Wald erreicht.

    Er streckte durstig seine Hände in den leichten Sprudel und trank ein paar tiefe Schlucke, wischte sich den Handrücken am Mund ab, das tat gut.

    Aber da, neben der Quelle, lag in dem stillen Wald eine Feder, ganz flaumig noch.

    Er hob sie behutsam auf, um den Flaum nicht zu zerstören und roch an ihr. Es kitzelte ihn dabei in der Nase und er mußte niesen.

    Das erinnerte ihn daran, wie er als Kind einmal das Niesen unterdrücken mußte, damit ihn seine Oma nicht hören konnte, bei der er damals zu Besuch war.

    Sie hatte, wie immer, wenn sie alleine war, mit sich selbst gesprochen und Kirko, damals etwa sieben Jahre alt, hatte vor der Küchentür gestanden und hörte sie klagen hören:

    "Ach Gott, ach Gott, wovon soll ich denn das Alles wieder bezahlen!'

    Er hatte damals gewartet, bis es in der Küche wieder still geworden war und war erst dann hineingegangen.

    Sie hatte sein Abendbrot hergerichtet und ihn wie so oft freundlich ermuntert, ‚Iß Junge, damit du groß und stark wirst!'

    Aber er hatte auf einmal keinen Hunger mehr und ihr einfach erzählt, er habe schon bei Krutzen's, den Nachbarn, gegessen.

    Und noch bevor sie etwas erwidern konnte, hatte es allerdings an der Tür geklopft und ein Wanderer bat um ein Stück Brot.

    Der Fremde
    Er sah so müde und hungrig aus, daß es unmöglich war - wenigstens für Kirko's Oma - ihn wegzuschicken. Und so bekam er Kirko's Abendessen und es tat ihm sichtbar wohl.

    Da hatte Kirko auch zu ihm gesagt, ‚Iß, damit du groß und stark wirst!' Und die Oma hatte gelacht wie selten, und der fremde Mann stimmte auch in das Lache ein, und er, Kirko, lachte sein Kinderlachen, froh, daß alle froh waren.

    Die Oma hatte dem Fremden dann noch einen Selbstgebrannten angeboten, wofür er ihr mit einem besonderem lächelnden Nicken dankte, das Kirko sich besonders eingeprägt hatte, es war ein Lächeln, das nur in den Augen stattfand.

    So saßen sie alle drei noch eine Weile am Küchentisch, schweigend, und da bedankte sich der Fremde mit einem Lied, einer ruhigen, tragenden Melodie, die er behutsam vor sich hin sang.

    Kirko versuchte jetzt, sich an die Worte zu erinnern. Es war ein Gute-Nacht-Lied gewesen. Er setzte sich auf einen Stein nahe an der Quelle und summte die Melodie vor sich hin.

    Da kamen ihm auch langsam wieder die Worte des Liedes in den Sinn, er hatte das Lied später von seiner Oma noch so manches Mal gehört:

    "‚Gute Nacht zusammen, gut' Nacht,
    die hier den Abend verbracht.
    War'n wir auch nicht lange beisamm',
    so erinnert euch irgendwann
    an ein Lied, das in euch erklang,
    das die Nachtigall fort mit sich nahm.'"

    Als Kirko, so leise vor sich hinsummend, da saß, wußte er noch nicht, daß die Feder, die er an der Quelle gefunden hatte, von einer Nachtigall stammte. die er jetzt sehr behutsam in seine Brusttasche steckte.

    Die Quelle
    Er wollte zu gerne wissen, was hinter der Quelle verborgen war, aber so wie es aussah, mußte er dazu erst einmal einen steilen Hügel hinaufklettern.

    Also kletterte er den felsigen Hügel hinauf, der mit dem schönsten Moos bewachsen war, das er jemals gesehen hatte.

    Überhaupt schien es ihm, als seien alle Pflanzen, und selbst das Gras, hier üppiger als irgendwo sonst.

    Noch nie hatte er an einem Platz so ein reichhaltiges Wachstum gesehen. Fast wurde ihm schwindlig vom Anblick der Blumen und der Farbenpracht, die sich da hinter der Quelle vor ihm auftat und dem kräftigen Geruch.

    Und jetzt war er inmitten all der Pracht auf der Höhe des Hügels, aber noch immer war kein Lachland in Sicht.

    Also ging er weiter, jetzt wieder einen Hügel hinab und war bei jedem Schritt mit seinen schweren Schuhen wohl darauf bedacht, keine der Blüten und Blumen zu zertreten.

    Am Abhang aber gab es auch Disteln und sogenanntes Unkraut, doch er achtete darauf, auch dieses nicht zu zertreten.

    Plötzlich sah er eine Pflanze, die weder duftete, noch schön war, sondern einfach da, inmitten der vielfältigen Pracht stand sie da, ganz alleine.

    Wenn die zarten Blätter, die ihre Knospen umrankten, als Blüten galten, so waren sie weder besonders schön und doch anziehend.

    Fast distelartig waren ihre Blätter und dornig der Stiel. Aber ihre Eigenart zog ihn einfach an und er blieb fasziniert stehen.

    Kirko beugte sich hinab und berührte die Pflanze, da wurden seine Hände ganz heiß, sie fingen an zu zittern und er riß die Pflanze, ohne daß er das gewollt hatte, aus.

    Hatte er vorher eine Feder in der Hand gehalten, so war ihm jetzt, als habe er einen Felsen gepflückt. Es war ihm, als hielte er alle Last, die er je getragen hatte, in seinen Händen.

    Verwundert suchte er sich einen Ruheplatz, setzte sich nieder und bestaunte die Last in in seinen Händen. Der Schweiß tropfte ihm von der verwitterten Stirn und seine Hände zitterten immer noch.

    Er hatte die Pflanze ja nicht ausreißen wollen, schon gar nicht mit der Wurzel, und plötzlich fing sie an, zu welken, wurde leicht und leichter, bis sie schließlich so leicht war, wie die Feder in seiner Brusttasche.

    Da fiel Kirko auf einmal die letzte Strophe des Liedes ein, das der Fremde damals bei seiner Oma gesungen hatte:

    "An der Dämmerung sollt ihr seh'n
    daß die Schatten immer vergeh'n
    und ein neues Licht hereinbricht,
    bis es einmal für immer verlischt.

    Kirko hatte die Pflanze der Entbehrungen seines Lebens gepflückt, ohne es zu wissen.

    Aber jetzt verstand er das schweigende Lächeln des Wanderers und steckte die leicht gewordene Blume zu der Feder in seine Tasche.

    Und so schlief Kirko lächelnd ein im Lachland hinter der Quelle.

    Im Lachland
    Geweckt wurde er von einem Schmetterling, der an diesem Morgen keinen besseren Platz finden konnte, als auf seiner Nase, um sich einfach auszuruh'n.

    Sie erschraken beide, der Schmetterling flog davon und Kirko hoch, schreckte aus seiner doch etwas ungemütlichen Schlafstellung und versuchte, sich erst einmal zu orientieren.

    Ach ja, die Gluckse, die Quelle, und was war da noch gewesen? Eine Wahrheitspflanze sollte er finden, um das Lachland zu erreichen, aber das schien ihm unmöglich.

    Kirko war hungrig und durstig. Etwas Brot, Wurst und Käse hatte er ja noch und auch noch Wein, aber so früh am Morgen wollte er doch lieber keinen Wein trinken.

    Aber, da war doch die Quelle gewesen und der Bach da, hinter dem Hügel!

    Aber soweit er jetzt auch sehen konnte, gab es keinen Hügel, also auch keine Quelle und keinen Bach. ‚Ich muß daß Alles doch geträumt haben', dachte er.

    ‚Vielleicht bin ich schon zu lange alleine unterwegs und habe mir das Alles nur eingebildet.

    Während er sich so langsam aufrappelte und seinen Rucksack nahm, knisterte etwas in seiner Brusttasche und er fühlte nach, was das sein könnte. Ja, da zog er eine Feder und eine verblühte Pflanze heraus und jetzt wußte er, daß er doch nicht geträumt hatte.

    Aber, wo waren die Gluckse, und wo war das Lachland?

    Wahrscheinlich habe ich das mit den Glucksen geträumt und nur der Weg war wahr, dachte er und machte sich erneut auf den Weg.

    Doch halt, was war denn das?

    "Ein Schneeglöckchen mitten im Frühsommer? Das kann doch wohl nicht wahr sein." sagte er laut vor sich hin:

    "Wo kommst du denn her?"

    Da lachte aus dem Schneeglöckchen ein glockenhelles Lachen: "Marie, Marie, pflück mich nie."

    Kirko erschrak und staunte nicht schlecht. Es klang wie das unbescholtene Lachen eines jungen Mädchens, das er einst kannte.

    Irritiert ging er weiter und kam ein einen Platz voll bewachsen mit Schlüsselblumen, die hatte er als Kind immer schon gerne gepflückt und er wollte sich jetzt auch der Erinnerung wegen einen Strauß pflücken.

    Kaum daß er sie angefaßt hatte, erscholl aus allen Schlüsselblumen ein Lachen wie von einer Mädchenschar, die Gleiches wie er im Sinne hatte.

    Es war so munter und fröhlich, daß ihm die Hand stockte und er es nicht wagte, auch nur eine der Blumen anzufassen.

    "Kirko, du bist im Lachland", sagte er sich. "Und jetzt geh' und suche das Lachen, das du verloren hast!"

    Und nun ging er von einer Blume zur anderen und überall hörte er, sobald er sich über eine Blume beugte und sie mit seinem Atem berührte, das Lachen derer, die darin verborgen waren.

    Und oft war ihm, als kenne er das ein oder andere Lachen.

    Das Lachen des Schneeglöckchens erinnerte ihn an das schönste Mädchen des Nachbardorfes, in dem er aufgewachsen war, und die nach ihrer Heirat niemand mehr hatte lachen hören.

    Das der Hyazinte an das Lachen der Frau, die noch lachen konnte, bevor sie am Fließband saß, das der Fleischblume an den dicken Wirt in der Stadt, wenn sich alle Gäste wohl fühlten.

    Mit der Zeit wurde ihm der Kopf ganz schwer von der Verschiedenartigkeit des Lachens und er wollte nichts, überhaupt kein Lachen mehr hören.

    Also ging er schnell weiter, immer schneller und schneller und stand plötzlich vor einer rosenumrankten Pforte.

    Es war das Lachlandtor, durch das man nur gehen kann, wenn man im Lachland lebt.

    Aber das wußte Kirko natürlich nicht und dachte, das sei der Ausgang aus dem Lachland und wollte hinausgehen.

    Da schlossen sich die Dornen vor ihm zusammen und die Rosen verströmten einen Duft, der es ihm unmöglich machte, weiterzugehen.

    Da Kirko glaubte, auch der Rosenbusch sei ein Lachlandgewächs, näherte er sich ihm mit der Frage, "woher kommst Du?"

    Aber die Rosen schlossen einen Kreis und schwiegen.

    Da fragte er die Dornen, "wo seid ihr her und was macht ihr hier?"

    Die Dornen aber kannten seinen Weg, öffneten sich und raunten:

    "Das Lachen ruht auf Dornen gebettet
    wer lachen will, muß Sanftes verketten
    mit Dornen flechten grobes Gestein
    im Lachland ruht das Menschlichsein."

    Doch dann öffneten sich auch die Rosen und Kirko konnte zagend und zögernd durch das Rosenbuschtor gehen.

    Und es öffnete sich ihm nicht nur ein Tor, sondern auch die Wahrheit über das Lachland.

    Hier war all das Lachen verborgen, das niemand mehr lachen konnte, Das ganze verlorene Lachen harrte und wartete hier.

    Kirko sank müde hinter dem Rosenbusch nieder. Er hielt eine Feder und eine verwelkte, getrocknete Pflanze in seiner Hand, als ihn die Kinder aus dem Dorf fanden.

    Man brachte ihn ins Pfarrhaus, pflegte ihn dort, bis er wieder wohlauf war.

    Kirko ging noch viele, viele Jahre viele Wege und manch schweren Schritt in seinem Leben.

    Und wenn er einen Bach hörte, wußte er, was er hörte, wenn er eine Blume sah und roch an ihr, wußte er, was es für eine Blume war und was sich dahinter verbergen könnte. Wenn er einen Menschen traf, der ihn fragte, woher er komme und wohin er ginge, schwieg er.

    So kam es, daß er an einem Tag, der sein letzter sein sollte, genau in das Dorf zurückkam, dessen Geräusche er einst vermieden hatte, aber er wußte nicht, daß es das selbe Dorf war.

    Er war nur sehr müde denn er hatte auf all seinen Wegen zu wenige Menschen lachen gehört.

    So brachten man ihn wieder in das Pfarrhaus, als er wie eingeschlafen auf einer Bank in der Nähe des Kinderspielplatzes saß.

    Auch diesmal hatten die Kinder ihn gefunden.

    Als der Pfarrer aus der Stube kam und sagte, "Der fremde Mann ist leider gestorben",

    Da sagte ein kleiner Junge ganz leise vor sich hin, "Schade, er konnte so wunderbar lächeln."

    Und alle Anderen sahen sich erstaunt an.

    Niemand hatte diesen Mann, der ihnen als Umherziehender wohl bekannt war, jemals lächeln sehen.

    © 1985 Marion Daufenbach
    Überarbeitung Dank Anregung von Gabi Hofmeister 2001